taubengrau

Du sollst keine anderen Hobbys haben neben mir

Meine Hobbys und Interessen in den letzten Jahren konnten nicht nebeneinander existieren. Es war ein striktes Entweder-oder. Ich habe 100% meiner Freizeit, oder gefühlt eher 110%, einem einzigen Thema gewidmet. In dieses Thema habe ich all meine Energie und Aufmerksamkeit gesteckt, habe mich in jede Tiefe begeben und wollte alles wissen und lernen.

Die letzte wirklich lange Hobby-Episode war das Radfahren. Ich war wie besessen davon, konsumierte Inhalte rund um die Uhr. Wenn ich nicht selbst auf dem Rad saß, schaute ich Videos anderer Blogger, die mit dem Rad unterwegs waren, Mechanikervideos, Radrennen und so weiter und so fort. Ich habe nach neuem Zubehör oder der siebenunddreißigsten Fahrradtasche recherchiert, die ich unbedingt kaufen musste. Ich wollte jeden Tag auf dem Fahrrad sitzen, ansonsten war der Tag nicht sinnvoll genutzt.

Nun fahre ich seit fast zwei Jahren kaum noch, da ein anderes Hobby an die Spitze gewandert ist: Zocken. Man mag darüber streiten, ob es eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung ist, aber ich hatte super viel Spaß (anfangs). Auch hier fuchste ich mich wieder in die Tiefe. Zu jeder Zeit verfolgte ich News-Seiten und Streamer zu "meinem" Spiel. Ich wollte gut sein in dem Spiel, alles in- und auswendig kennen, eben ein Spezialist werden, Hauptsache nicht "casual" sein. Das Radfahrhobby war abgehängt und zurückgelassen. Ich saß seitdem vielleicht fünf Mal wieder auf dem Rad, aber es hat mir nicht das gleiche gegeben wie damals, als es meine Nummer eins war, als ich eine Radfahrerin sein wollte. Beim Gedanken an das Radfahren und wie ich meine gesamte Fitness aufgegeben habe, werde ich bis heute melancholisch und traurig. Ich könnte jederzeit wieder starten, aber irgendwie auch nicht. Es wäre Arbeit.

Das gleiche beim Thema Journaling. Es hat auch das Potential, ein Nummer eins Hobby zu sein. Es gibt so viele Videos von Menschen, dir ihr Journal zeigen, "Journal with me" aufzeichnen oder neue Notizbücher vorstellen. Wenn gerade das Journaling mein Nummer eins Hobby ist, habe ich für die anderen beiden nichts übrig. Ich bin schon fast genervt, wenn die anderen Themen an mich heran treten.

Seit Ewigkeiten wohnt der Wunsch in mir, ein gesundes Gleichgewicht zu entwickeln. Es tut mir nicht gut, mich besessen in einem Hobby zu verlieren. Sobald etwas anderes dazukommt, fühlt sich die Zeit wie verschenkt an, weil ich sie nicht meinem Nummer eins Hobby widmen kann. Ich schaffe bisher leider nur ein "Ganz oder gar nicht" und bin selbst davon genervt. Ich wünsche mir so sehr, etwas lockerer im Umgang mit meinen Hobbys zu sein. Mir sagen zu können, dass zweimal die Woche Radfahren total super und ausreichend ist. Dass ich mich eine Radfahrerin nennen kann, obwohl ich "nur" zweimal die Woche fahre. Und wenn ich 2 Wochen gar nicht fahre, bin ich weiterhin eine Radfahrerin, einfach, weil ich es gerne mache. Und wenn ich nicht jeden Abend zocke, gehöre ich dennoch zu der Community dazu.

Seit ich mit dem Radfahren aufgehört habe, beschäftigt mich dieser Wunsch. Ich versuche, darauf zu lauschen, worauf ich gerade Lust habe und weniger danach zu gehen, was mich gerade definieren soll. Es fehlt noch ein großes Stück Akzeptanz, mir einfach sagen zu können:

Es ist okay, dass ich auf Hobby1 gerade weniger Lust habe und lieber Hobby2 nachgehe. Und wenn das morgen genau umgekehrt der Fall ist, ist das genauso okay. Beides definiert mich gleichermaßen.

#gedanken #hobby